Entzündung & Heilung

Entzündung und Heilung liegen näher beisammen, als die meisten Menschen denken. Das Wort „Entzündung“ hat einen sehr negativen Beigeschmack. Eine Entzündung schmerzt und man möchte sie sobald als möglich wieder abgeklungen wissen.
Denn wenn sie weg ist, ist man wieder gesund, oder?

Nein, die Entzündung ist der Prozess, den der Körper einleitet um die Gesundheit bestmöglich wiederherzustellen.
Entzündung ist also Heilung.
Wie das?

Beispiel:
Angenommen ein Körperbereich ist verletzt, Sie haben sich beim Brotschneiden in den Finger geschnitten. Um die Wunde zu verschließen und in weiterer Folge das verletzte Gewebe wieder herzustellen möchte Ihr Körper schnell und effektiv arbeiten. Hierzu durchblutet er den Bereich stärker. Im Blut befinden sich u.a. die Zellen, die das Gewebe wiederherstellen, mehr Blut, mehr Zellen. Der Bereich müss „aufgeblasen werden“, mehr Platz für mehr Blut. Entzündungsmediatoren übernehmen diese Aufgabe. Die Folge der Schwellung und Mehrdurchblutung? Röte, Wärme, Schmerz, ausgelöst durch Druck und damit einhergehende Bewegungseinschränkung

Meist geht eine Entzündung (lat. mit der Wortendung „-itits“ versehen) mit 5 Kardinalsymptomen einher, die mal stärker, mal schwächer auftreten können.

1. Tumor – Schwellung
2. Rubor – Rötung
3. Calor – Wärme
4. Dolor – Schmerz
5. functio laesa – Eingeschränkte Funktion

Ist das nun gut oder schlecht?
Grundsätzlich sehr wichtig und gut, im Übermaß schlecht.
Bei der Behandlung einer Entzündung geht es uns nicht um das Verschwinden der Entzündung, sondern um das Dämpfen der überschießenden Entzündungsreaktion um eine Heilung unter bestmöglichem Erhalt der Lebensqualität zu ermöglichen.

Wie dämpft man die Entzündungszeichen?

Amerikanische Trainer raten ihren akut verletzten Schützlingen:
„RICE it!“ RICE steht hier für die Abkürzung von:
1. Relax – Ruhigstellen
2. Ice – Kühlen
3. Compress – Bandagieren
4. Elevate – Hochlagern

In der Akutphase ist also Kühlen angesagt.
Eiskalt für kurze Zeit?
Nein, lieber mässig kühl (Kühlschranktemperatur) für längere Zeit (z.b. 15 – 20 Minuten)
Das dämpft die chemischen Prozesse der Entzündung.
Chemische Prozesse laufen schneller ab, je wärmer die Bereiche sind. Dauerhaftes mässiges Kühlen bewirkt dies. Kurzes eisen bringt eine verstärkte Durchblutungsantwort (reaktive Hyperämie) und kann sogar kontraproduktiv sein.

Kompression, also einbinden, bandagieren wirkt nicht nur bei Prellungen abschwellend sondern verstärkt sogar noch den Heilungseffekt. Dieser Mechanismus ist auch bei Wunden festzustellen, geben Sie lieber einem Pflaster den Vorzug gegenüber dem Heilen „an der Luft“. WEnn die Wunde zuerst gereinigt und desinfiziert wurde schützt das Pflaster von Verunreinigung, hält den Bereich feucht (ja, auch das ist gut) und komprimiert.
Bei Prellungen und Schwellungen ist das eintauchen oder baden im kühlen Wasser ideal. Neben der Kühlung wirkt sich der sanfte ganzkörperliche Wasserdruck sehr positiv auf der Lymphsystem aus und wirkt in Kombination mit Bewegung absolut lymphanregend und entstauend.

Ab wann darf ich wärmen?
Wärme kann sehr positiv auf „ältere“ Verletzungen einwirken, nach dem Abklingen der vollaktuen Entzündung. Bei bakteriellen Entzündungen sollte man sich die Wärme allerdings sparen, das kann zu einer Vermehrung der Bakterien führen.
Es ist nicht immer leicht baterielle Entzündungen zu erkennen, das sie nicht zwingend mit Eiter einhergehen müssen. Wenn aber Wunden stark nässen und Eiter zu sehen ist, sollte man sich dementsprechend ärztlich behandeln lassen. Im Zuge dessen ist es auch nicht anzuraten dicke Wollschals bei Halsentzündungen zu tragen, die die Wärme richtig aufstauen und den Bakterien gute Wachstumsbedingungen bieten. Um sich vor Zugluft zu schützen werden z.b. leichte Seidenschals empfohlen.

Apropos Verkühlungen: Das gute alte Schneutzen hat scheinbar auch ausgedient. Nicht nur, dass man sich die Keime toll in die Hände bringt und vielleicht noch Stofftaschentücher langezeit in der warmen Manteltasche trägt, man presst die Keime auch in die Nebenhöhlen und erhöht noch dazu kurzfristig den Schädeldruck.
Wenn schneutzen, lieber nur durch ein Nasenloch, bzw. (für die Profis) gleich hochziehen und in den Mund umleiten, dann ausspucken. Appetitlich, gell ;)
Nießen bitte in die Ellbeuge, dann haben wir die Hände unverkeimt und tragen die kleinen Biester auch nicht gleich zu unseren liebsten weiter.

Nach diesem kurzen Exkurs, wieder zurück zur Entzündung:
Nach dem Abklingen der starken Schwellung nach einigen Tagen und einem Aufhören von pochendem Gefühl, kann man ruhig einmal vorsichtig Wärme in Form von Warmwasserbädern oder dem Auflegen von Wärmeflaschen, Kirschkernkissen etc. probieren über 15 Minuten und länger. Hier gilt ganz einfach das subjektive Empfinden als ausschlaggebend.
Ist es angenehm, etwaige Schmerzen gehen zurück und es schwillt nicht an? Gut, dann kann  man gerne weitermachen.
Schwillt es stärker oder beginnt sogar zu pochen? Sofort weg damit. Man ist man eine Erfahrung reicher und weiß, dass es noch zu früh war.
Noch zu erwähnen ist im Gegensatz zur angenehmen Wärme die Hitze.
Hitze hält man nur kurz aus, dabei wird z.B. mit einer „Heißen Rolle“ (fest eingedrehtes Leinentuch mit sehr heißem Wasser übergossen) nur kurz getupft. Dies soll angeblich das Lymphsystem stimulieren und darf auch bei akuten nichtbateriellen Entzündungen angewandt werden. Das Hitzekonzept habe ich aber in meiner Praxis nie benutzt und kann daher auch keine persönliche Meinung dazu abgeben.

Ich empfehle nicht die verletzten Körperbereiche zu lange ruhigzustellen.
Muskeln verkürzen, Bänder und Faszien passen sich an, werden straffer,
(stabilisierende) Muskulatur baut  ab. Koordinative Bewegungen sind im schmerzfreien Bereich immer möglich. (Vorsicht: Schmerzmittel verzerren die Wahrnehmung) Die subjektive Schmerzschwelle ist die Grenze beim lockeren Durchbewegen bzw. sanften Stabilisieren.

Akut bin ich persönlich ein großer Freund von entzündungshemmenden, schmerzstillenden Medikamenten. Mit antphlogistischen Salben und Gels habe ich persönlich, bei meinen diversen Sport- und Alltagsverletzungen keine Wunderergebnisse erhalten.

Á la longue können sie aber beträchtliche Nebenwirkungen haben, z.B. in Bezug auf die Magenschleimhaut.
Medikamentationen sind nur vom Arzt vorzugeben und man sollte sich dementsprechend verhalten.
Es schadet nicht sich dennoch selbst zu informieren und ggf. weitere ärztl. Meinungen einzuholen.
Wenn jemand aber absolut von der Creme XY überzeugt ist, denke ich, dass sie neben der Eigenwirkung auch einen psychologisch stabilisierenden Effekt hat.

Weitere physiotherapeutische Behandlungen bei Entzündungen und Schwellungen sind:

Ultraschallwellentherapie, Kaltes Moor, Lymphdrainage u.v.m.

Irgendwie erinnert mich eine Entzündung an den Straßenbau:
Es ist ein Schlagloch in der Straße (z.B. eine Schnittwunde, oder ein Knochenbruch).

Es werden Arbeiter gerufen, sie sperren die Straße, sanieren den Schaden, leiten das Regenwasser aus dem Loch, schütten es auf, betonieren es zu, teeren die Straße, malen wieder eine Bodenmarkierung darüber etc. (physiologischer Heilungsprozess). Wenn die Straße wieder ganz ist, sollten die Arbeiter zusammenpacken und weiterfahren.
Bleibt die Entzündung bestehen ist das so als ob die Arbeiter doch nicht heimfahren, sie packen Bier und Wurstsemmeln aus und machen es sich bequem.
Die Straße (Lymphfluss, Durchblutung) bleibt teils blockiert, Autos hupen und es Staut
(Schwellung, Muskelspannungen, Lymphstau). (unphysiologische persistierende Entzündung)

Fazit:
Nur so entzündungshemmend arbeiten, dass die Heilung nicht zu sehr gebremst wird, die Lebensqualität aber bestmöglich ist. Je akuter umso weniger Reiz und mehr Entzündungshemmung, je abgeklungener umso mehr Belastung und Durchblutungsförderung.