Training & Alltag

Alltag und Training sind keine direkten Gegensätze. Dehalb kann ich sie nicht diametral gegenüberstellen. Sie fließen ineinander und ergänzen sich gegenseitig.
Trainingsübungen übertreiben Belastungen um im Alltag, nach einer Phase der Anpassung, eine Erleichterung zu erfahren.
Mehr darüber im Kapitel Kompensation und Superkompensation.

Ich unterteile die gesamte physiologische Gelenksbeweglichkeit (ROM – range of motion) in 3 Bereiche (plus einen der darüber hinausgeht):

1. Wohlfühlbereich
2. Arbeitsbereich
3. Stressbereich
4. Verletzungsbereich

Beispiel:
Drehen sie Ihren Kopf ganz sanft links und rechts und zwar nur so weit wie es sich wirklich angenehm anfühlt. Vielleicht sind es nur ein paar wenige Zentimeter, bevor eine minimale Spannung im Nacken oder der Halswirbelsäule auftritt. Das ist der Wohlfühlbereich. Drehen Sie Ihren Kopf in einem größeren Radius, solange sie leichte Nackenspannung in einem angenehmen Maße verspüren. Das ist der Arbeitsbereich. Bewegen sie sich noch weiter und verlassen sie den Arbeitsbereich wird die Bewegung zunehmend unangenehmer bis der Kopf an seine Bewegungsgrenze kommt. Dies ist der Stressbereich.  Alles was darüber hinausgeht kann zu Schmerz oder sogar zu Verletzungen führen. Sie merken, dass sich diese Einteilung sehr subjektiv, abhängig von der momentanen Befindlichkeit des Gelenks verschiebt.

Im Alltag ist es wünschenswert im Wohlfühl- und Arbeitsbereich zu bleiben, in der Therapie und im Training kann man sich schon mal länger im Stressbereich aufhalten.
Immer abhängig davon wie viel Reiz man gerade verträgt. 

Alltagsübungen erleichtern Handlungen und Abläufe um im Alltag ebenfalls eine Erleichterung zu erfahren.

Sollten wir den Alltag zum ständigen Trainingsbereich machen?

Sich den Alltag bewusst schwer zu gestalten (Beim Einkäufenachhausetragen Bicepscurls machen, Zähneputzen mit Wadentraining verbinden, 2 Stiegen auf einmal in Zeitlupe gehen usw.) ist solange positiv solange das Gesamtsystem und die individuell trainierte Partie den Reiz gut verarbeiten kann.

Vor jedem Training ist es gut zu wissen was man will. Welche Körperstruktur möchte ich stärken und zu welchem Zweck? Möchte ich Muskeln dehnen und die Spannung senken um weniger Zug auf die Sehne zu haben, die wiederum den Ansatzpunkt reizt und einen Tennisellbogen verursacht?
Möchte ich die Muskelkette im Kraftausdauerbereich stärken um meine Sportart verletzungsfrei ausüben zu können?
Möchte ich Muskelmasse aufbauen und Fettmasse abbauen um einen kinoreifen Sixpack zu bekommen?
Möchte ich meine Bewegungen technisch so optimieren, dass ich mit viel weniger Kraft viel mehr erreichen kann?
Diese und mehrere Fragen gilt es mit sich und dem Trainer zu klären bevor man Übungen macht.

Physiotherapie, Körperübungen, Kräftigung, Koordinationstraining, Steching, passive Maßnahmen usw. sind Reize. Physiotherapie ist vorwiegend eine Reiztherapie.
Der Reiz ist unsere Art unserem Körper etwas mitzuteilen. Training baut Muskelmasse ab, als Antwort darauf möchte der Körper beim nächsten Versuch effektiver Arbeiten, er baut u.a. Masse auf.
Mehr dazu im Kapitel Kompensation  & Superkompensation.

Lyphdrainage setzt Reize das Lymphsystem anzuregen und zu optimieren, Dehnen setzt Reize die Muskelspannung herabzusetzen usw. usf. Der Körper muss in der Lage sein diese Reize zu verarbeiten. Wenn es zu viel wird beginnt ein Abfall der Leistung.
Mehr dazu im Kapitel Kompensation & Dekompensation.

Im Alltag Bewegungen bewusst zu machen, den Körperkern zu aktivieren, auf die Haltung zu achten wirkt sich sehr positiv auf das Gesamtsystem aus.
Grundsätzlich würde ich mir den Alltag aber lieber entspannt und ökonomisch gestalten und das Training mühsam und schwer. Ausnahmen bestätigen die Regel. Lockeres koordinatives Training, das Flow und Spaß bringt hat natürlich seinen Sinn. Dennoch möchte ich das Prinzip des reizvollen Trainings und des reizarmen Alltags an einem Beispiel erklären:

Die Halswirbelsäule ist sensibler und weniger belastungsverträglich als z.B. die Lendenwirbelsäule. Alles ist filigraner und feiner. Schnelles Drehen des Kopfes in einem weiten Bewegungsaußmaßes kann zu einer Schutzfunktionskrampfung des Körpers führen oder, noch schlimmer, zu Verletzungen. Wenn der Kopf nun beim Rückwärtsautofahren massiv verrecnkt wird, kann das zu Problemen führen. Was tun? Man kann die Beweglichkeit der Halswirbelsäule erhöhen oder sich auch besser koordiniert bewegen und die gesamte Wirbelsäule drehen (Schultern bewegen sich mit).
In der Therapie wird als Trainingsübung die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhöht, als Alltagsübung der Bewegungsablauf des Umdrehens ökonomisiert.

Bei Trainingsübungen gehe ich bewusst weiter als gewohnt um meinen Körper dazu zu bringen eine Körperstruktur oder einen Bereich beweglicher, stabiler oder kräftiger zu machen.

Bei den Alltagsübungen möchte ich meinen Körper intelligenter gestalten, dass ich mich im Alltag ökonomischer Bewege, meine Haltung adäquat und gelenksschonend ist und ich mit wenig Kraftaufwand viel erreichen kann.

Vom Bodybuildingstandpunkt aus gesehen sind viele Alltagsübungen eine Form des Betrügens (cheat). Vom Standpunkt des Kettlebellathleten bewege ich mich ökonomisch und intelligent.

Bei vielen Übungen ist die Grenze, wie so oft, fließend und es finden sich in jeder Übung Elemente, die mehr dem Training oder mehr dem Alltag zugeordnet werden können.

Fazit:
Trainingsübungen/-therapie:
(ich mache es mir schwer, damit ich es nachher leichter habe)

Arbeiten im Arbeits und Stressbereich.
Hypertrophietraining, Stabilisationen, Dehnungen usw.

Im Kettlebelltraining unterscheidet man genauso zwischen Übungen, die zum Kraftaufbau dienen und Übungen, die ökonomisch und über lange Zeit, ausdauermäßig, gemacht werden.

Kraftraubende anstrengende Übungen, Trainingsübungen nennt man „hardstyle“-Übungen, Ausauer und ökonomielastige werden teils als „softstyle“ bezeichnet.

Alltagsübungen/-therapie:
(ich mache es mir leichter, damit ich es leichter habe)

Koordinierte Bewegungsabläufe, Zusammenspielen mehrerer Gelenke, Bewusstes verweilen im Wohlfühl- und Arbeitsbereich usw.